Geschichten aus dem Altbirkle – Teil 1

Zeichnung "Altbirkle" von Roland Krause

Erinnerungen von Roland Krause (Schüler am Birklehof von 1937 – 1944)

Die Bauernstube im Altbirkle

In den ersten Jahrzehnten der Schule lud „Cake“ (Spitzname des damaligen Schulleiters Dr. Wilhelm Kuchenmüller, Anmerkung der Redaktion), damals Schulleiter des Birklehofs, Schüler der Oberstufe, Jungen und Mädchen, am Wochenende persönlich zum Volksliedersingen in die Bauernstube des Altbirkles ein. Er fand in diesem Liederschatz – überliefert in den Liederbüchern der alten Jugendbewegung, dem „Zupfgeigenhansel“, dem „Musikanten“ und dem „Aufrecht Fähnlein“ ein unschätzbares Kulturgut, das zu pflegen sein Herzensanliegen war. Jeder Geburtstag bekam ein Lied.

Anfangs habe ich nicht ganz verstanden, warum man so oft und scheinbar ohne Ziel so lange und ausschließlich singen könne. Aber mit der Zeit wuchs ich, je älter ich wurde, umso fester in den Kreis der Singenden hinein.

Der Ort dieser alten Bauernstube hat dem damaligen Schulleben eine besondere Note gegeben, oft war er Ausgangspunkt von wesentlichen und bleibenden Impulsen der Schule. Von dort nahm das festliche Adventssingen seinen Anfang, dort versammelten wir uns jährlich zur ersten Probe des Oberuferer Christgeburtsspiels und zu den großen Aufführungen im Sommer, dem „Wilhelm Tell“ und der „Antigone“.

Der Altbirkle, damals Heimatstatt der Oberstufenmädchen, mit seinem Hauptraum, der alten Bauernstufe, die gleich links neben dem Eingang lag, war baulich der Inbegriff von heimatlichen Gefühlen. Ganz mit dunklem Holz verkleidet, lief eine niedere Bank ringsum. Ein dunkelgrüner großer Kachelofen umfing alle mit wohliger Wärme. Der große hölzerne Familientisch kam beim Singen in den Vorflur. Der Raum selbst wurde ganz eng mit alten, knarrenden Holzstühlen bestückt. Sobald wir ihn gefüllt hatten, Jungen und Mädchen bunt gemischt, konnte das Singen mit einem Weckruf beginnen: „wach auf meins Herzens Schöne, Herzallerliebste mein“ und am Abend schloss das Ganze oft mit dem Nachtlied „Nun sich der Tag geendet hat und keine Sonn´ mehr scheint, schläft alles, was sich abgemat´t und was zuvor geweint“. Alle konnten ihre Liederwünsche einbringen. Es konnte manchmal sein, dass außen Schnee fiel. Dann stapften wir heiter und glücklich hinauf in unsere Zimmer ins Haupthaus. Acht Tage darauf brachen wir wieder zur geliebten Bauernstube auf.

Unser Singen breitete sich auch auf andere Orte aus. Wie oft haben wir am Bahnhof von Hinterzarten von Gästen oder Abiturienten vierstimmig Abschied genommen mit „Innsbruck ich muss dich lassen“, dasselbe konnte auf dem Bahnhof in Freiburg passieren. So war unser Singen unversehens auch nach außen hin ein Merkmal für die ganze Schule geworden. Der Höhepunkt solcher Unternehmungen nach außen war unsere Madrigal-Konzertfahrt im letzten Kriegswinter nach Kopenhagen. Die hatte zwar mit der Bauernstube keinen Direktkontakt, aber der Mutterboden dafür lag schon dort.

Was uns in diesem ehrwürdigen Raum zusammenführte, war nicht mit Begriffen wie Freizeitbeschäftigung, wie Arbeitsgemeinschaft oder Privateinladung zu fassen.

Ganz vorsichtig kann man vielleicht sagen, wenn es bei uns je so etwas gegeben hat wie den Ansatz einer Pädagogischen Provinz, dann lag diese Bauernstube nicht weit davon entfernt.